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Christian Kastner – Leiter des Burgmuseums in Horn-Bad Meinberg
Vorbemerkung
Die heutige Ausstellung der neueren Arbeiten von Gerwin Heinrich hier im interessanten Foyer des Stadtwerke-Hochhauses trägt den Titel „Explorer“. Die Verbindung seiner Bilder mit dem Begriff des ‘Forschungsreisenden’ oder ‘Ent-deckers’ hat, so möchte ich gleich behaupten, auch programmatischen Charakter für seine Kunst. Ich möchte sie somit einladen, gemeinsam dem Kunstprogramm von Gerwin Heinrich nachzuspüren. Die ersten Spuren dazu sollten wir sogleich hier vor Ort aufnehmen.
Eine Ausstellung in den Räumen eines Wirtschaftsunternehmens entfacht das Nachdenken darüber, ob der Titel „Explorer“ auf Gemeinsamkeiten verweist. Meine Eingangsfrage lautet demnach:
- Haben Kunst und wirtschaftliche Unternehmen etwas gemeinsam ?
Obwohl die Antwort nicht naheliegend scheint, existiert ein gemeinsames Charakeristikum durchaus. Erforschen und Entdecken ist in der Kunst wie in der Wirtschaft ein paralleles Existenzprinzip.
Und gerade die Geschichte der Bielefelder Stadtwerke ist eine Geschichte der ständigen Innovation. Etwas womöglich Einmaliges herstellen und anbieten, ist für Unternehmen eine unabdingbare Voraussetzung. Produktinnovation ist eine unternehmerische Strategie und führt zum Aufbau von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Wobei, die Suche nach Neuem ist ein mühseliger Weg. Nicht von ungefähr existieren dazu ernüchternde Etiketten, wie etwa: “Die Euphorie der Ideen und die Frustration ihrer Umsetzung“. Der bekannte Bielefelder Soziologe Niklas Luhmann schrieb darüber ein Buchkapitel mit der Überschrift: „Die Poesie der Reformen und die Realität der Evolution“.
Das Neue ist ebenso für den Bereich der Kunst ein zentrales Orientierungsprinzip. In der Geschichte der Kunst war für lange Zeit die immer perfektere Imitation von Mensch und Natur ein Innovationssiegel. Doch bald wurden andere Formen und Bereiche entdeckt. Die Wahrnehmung der Perspektive in der Renaissance, des Informellen in Form der abstrakten Kunst oder des Unbewußten durch den Surrealismus. Auch die Kunst Gerwin Heinrichs ist einer einmaligen und neuartigen Sicht und Darstellung von Themen verpflichtet. Deshalb ist diese Präsentation im innovativen Umfeld der Stadtwerke gerade so passend.
Doch seine Entdeckungen lassen sich nicht so einfach und direkt enthüllen. Dafür hat er eine künstlerische Kompetenz entwickelt, die uns zuerst interessieren soll.
- Wer ist der künstlerische „Explorer“ Gerwin Heinrich ?
Für seine kreativen Entdeckungsreisen bringt Gerwin Heinrich professionelle Voraussetzungen mit. Er ist Bielefelder und hat ein Kunststudium an der pädagogischen Hochschule in Köln absolviert. Er ist zudem aufgenommenes Mitglied im „Bund Bildender Künstler“ und führt seit über20 Jahren seine Kunstausstellungen in der gesamten Bundesrepublik durch.
Heute ist für ihn ein Tag, der auch in Unternehmen vertraut ist. Wenn etwa ein neues Produkt auf den Markt eingeführt wird, so ist das ein spannender und unsicherer Prozess zugleich. Einen Künstler begleiten ähnliche Gedanken, wenn neue Arbeiten einem Publikum vorgestellt werden.
- Was umfassen nun die neuen Arbeiten von Gerwin Heinrich?
Die heutige Präsentation gibt die besondere Eigenart seiner Malerei gut wieder und führt uns deshalb in das Zentrum seines Kunstprogramms. Wir erleben zunächst eine sehr farbige und detailreiche Bilderwelt. Eine wesentliche Methode der Bildgestaltung ist die Übermalung von vorgegebenen Motiven. Dem jeweiligen Bildinhalt verleiht Gerwin Heinrich mit Pinsel und Farbe seinen eigenwilligen „Anstrich“. Es wird interessant sein, gerade diese Gestaltungsmethode zu enträtseln.
Die Themen seiner großformatigen Werke bilden Schiffe, Autos, Zeppelin, oder Astronauten. Mit diesen Fortbewegungsmitteln ruft der Künstler recht unmittelbar unsere alltäglichen Vorstellungen über die Voraussetzungen von Entdeckungsreisen auf. Doch es drängt sich ein gewisser Zweifel auf, ob hier nicht ein Spiel mit unserer Wahrnehmung getrieben wird. Weshalb sich die Frage aufdrängt:
- Welche eigentlichen Entdeckungen können wir mit diesen Bildern machen ?
Der Eindruck gängiger Vorstellungen drängt sich zumal deswegen auf, weil uns Gerwin Heinrich das Neue durch Gewohntes zu vermitteln scheint. Ein wesentliches Merkmal seiner Werkreihen ist nämlich, dass sie sich auf Vorgegebenes beziehen. Er favorisiert eine gegenständliche Malkunst, die Alltagsnahes und Vertrautes zum Thema macht.
Aber gerade mit den einfachen und alltäglichen Motiven bedeutet uns Gerwin Heinrich den Schwerpunkt seines Kunstprogramms. Denn das besteht darin, so möchte ich es mit Luhmann begründen, unser Beobachten zu beobachten. Denn wir nehmen die Welt durch festgelegte Beobachtungsschemata wahr. Gerade mit dem Titel „Explorer“ und den großformatigen Bildern über Autos, Schiffe oder Zeppeline karrikiert er unser Beobachten und Entdecken. Für die meisten verbindet sich mit diesen Fahrzeugen schon die Vorstellung vom entdeckenden Reisen. Doch was entdecken wir eigentlich, wenn wir darin unterwegs sind und nur den Reise- und Kunstführern folgen? Wir machen nur vorgegebene Beobachtungen.
Noch kritischer verdeutlicht Gerwin Heinrich dies durch seine Methode der Übermalung z. B. von Illustriertenfotografien. Mit der Entscheidung, diese Massenmedien als Vorlagen zu benutzen, geht er auf die „Leittechnologie“ unserer Wirklichkeitswahrnehmung ein. Denn wie wir heute die Welt beobachten, diese Beobachtung geben uns die Medien vor. Und sie tun es in Einbahnstraßenform und als großen Monolog.
Der Künstler Gerwin Heinrich erzeugt durch seine Übermalungen aber einen direkten kritischen Dialog. Seine Absicht ist es, eine Neubewertung der vorgegebenen Sichtweisen zu erzeugen. Er gelangt so zu einer unmittelbaren Auseinandersetzung mit den fotografischen Vorlagen und vermittelt uns mindestens zwei Lesarten derselben Wirklichkeit. Er schafft somit etwas Neues, nämlich die Mehrfachdeutung eines vorgegebenen Bildmotivs.
- Schluss
Nicht alle Entdeckungen sind in der Ferne auszumachen. Der Maler Gerwin Heinrich führt uns zu uns selbst, zu den vertrauten Dingen und irritiert auf kreative Weise unsere formatierten Beobachtungen. Er übt uns ein, so meine Begründung, in die kritische Beobachtung dessen, wie wir die Welt beobachten.
Durch seine irritierende Formensprache der Kunst wird deutlich, dass alles auch anders sein kann. Sie macht anschaulich, dass es keine Gewissheit des einzig Richtigen gibt. Ihre Irritationswirkungen sind aber überaus wertvoll. Denn Irritation zahlt sich in Form von Innovation aus – in der Gesellschaft wie auch in der Wirtschaft. Ich darf ihnen deshalb gleich beim Rundgang durch diese Ausstellung eine spannende Entdeckungsreise zu uns selbst wünschen.
IN 80 TAGEN UM DIE WELT – EIN KUNSTPROJEKT VON GERWIN HEINRICH |
Der Titel dieser Ausstellung ist populär, und um überaus Populäres geht es hier auch. Sie nimmt Bezug auf das bekannte Buch von Jules Verne. Doch mit dieser Bekanntheit hat es etwas Merkwürdiges auf sich. Die Bekanntheit ist vorhanden, obwohl der Roman schon über 100 Jahre alt ist. Und zudem habe ich die deutsche Originalausgabe in der Bibliothek nicht unter der Rubrik „Roman“, sondern noch immer unter“science fiction“ gefunden ! Doch was ist an einer Reise um die Welt in 80 Tagen heute noch fiktional? Können wir heute eine solche Reise nicht überaus schneller vollbringen? Können wir nicht gar die Eindrücke einer solchen Reise uns verschaffen, ohne überhaupt unseren Standort zu verlassen ?! Die populären Medien wie Fernsehen, Rundfunk, Zeitschriften und nun lnternet sie liefern uns die Ereignisse und Eindrücke tagtäglich hundertausendfach aus allen Winkeln rund um die Weit ins Haus. Die Hauptfigur von Jules Verne, der Aristokrat Phileas Fogg,- er hatte sich noch tatsächlich auf den Weg machen müssen und dabei die alten Technologien wie Dampfer, Eisenbahnen, Wagen, Jachten, Frachtschiffe, Segelschlitten und sogar Tiere wie Elefanten in Anspruch genommen. Begleitet wurde er auf seiner Weltreise von seinem Diener Jean Passepartout. Ich bin in die Rolle eines modernen Phileas Fogg geschlüpft. Ich habe mich einer gegenwärtigen Reise, also einer medialen Reise rund um die Welt ausgesetzt . Gleich Phileas Fogg habe ich ein Abenteuer begonnen. Ich habe mich in die abenteuerliche Bilderwelt der Illustriertenindustrie gestürzt. Ich habe 500 Motive ausgewählt, sie auf Marktkauftüten geklebt und anschließend mit meinem Medium, der Malerei bearbeitet. Hier versuche ich im wahrsten Sinne des Wortes dieser Eindrücke „Herr“ zu werden. Es ist zunächst deutlich: ich multipliziere und reduziere zugleich diese mediale Wirklichkeit. Die multiplizierte Steigerung, ist einerseits die der Serie. 250 Objekte insgesamt und es sollen noch mehr werden. Eine weitere Multiplikation entsteht durch das Trägermedium: die verwendeten Einkaufstüten. Es ist wiederum ein Massenmedium, gedacht zum Transport unserer Konsumartikel. Darauf pappen nun die ausgewählten Illustriertenbilder. Natürlich ist diese gewählte Kombination schon ein bewusster kritischer Kommentar auf die Medienwelt. Zugleich reduziere ich aber auch ganz extrem. Mit meinen Pinseln und Farben bringe ich die mediale Wirklichkeit fast zum Verschwinden, ich reduziere sie auf das für mich Äußerste. Es die Kunst der Kunst ,dass ich sie mehr sehen lassen will, indem ich paradoxerweise mehr verdecke. Hier kommt eine Grundmethode der Kunst zum Zuge. Durch das Verdecken, durch das Reduzieren mehr vermitteln. Ich radikalisiert diese Methode. Ich übermale die Vielfalt – ich reagiert auf sie und stellt ihr eine eigene Bilderwelt entgegen. Ich bin skeptisch gegenüber dem Erkenntnisgewinn durch ein immer Mehr an Informationen und Eindrücken. Bei mir steht eine solche Erkenntnis als These am Anfang, die Philea Fogg erst am Ende seiner Reise feststellen musste.Und doch kann ich ohne die Vielfalt nicht leben, sie bestimmt mein Leben und meine Kunst. Der Erzähler fragt zum Schluss des Romans: .,Aber jetzt? Was hatte er eigentlich mit dieser ewigen Unrast gewonnen? Was hatte er von seiner Weltreise heimgebracht? Nichts, sagen Sie? Tatsächlich: nichts.“ Auch gilt dies wohl für heute: wer sich nur immer schneller und immer weiter in der virtuellen Welt bewegt, der bringt womöglich nichts nach Hause. Mit den Mitteln der Kunst knüpfe ich an diese aktuelle Diskussion über die „Zukunft der Orientierung“ an. Durch Verlust alter Orientierungsmodelle und Zunahme der Informationen stecken wir eher in der Situation der Unübersichtlichkeit. Nun bedarf es des sich selbst orientierenden Menschen, der die aufgekommene Unsicherheit nicht durch Verdrängung und Sekundärmedien bewältigt. Wir brauchen eher eine verstärkte Übung in der wertbezogenen Stellungnahme und den Mut zum Selberdenken. Ich versuche mich diesem Prozess durch seine künstlerische Methode zu stellen. Ich übermale meine gesammelten Motive auf das Äußerste, ich reduziere zudem das Deckenlicht und schicke sie schließlich mit einer Taschenlampe in die Welt seines Selbstdenkens. Denn offenbar muss man wohl weniger sehen, um mehr wahrzunehmen. In diesem Sinne wünsche ich ihnen eine gute Reise. In Anlehnung an die Eröffnungsrede von Christian Kastner Museumsleiter, Horn-Bad Meinberg |
